Montag, 28. Februar 2011

Sexuelle Aggression

Es gibt viele Definitionen von sexueller Aggression, die Juristen verstehen darunter:
§ 177, StGB:
Eine Vergewaltigung bzw. sexuelle Nötigung begeht,
wer eine andere Person
1. mit Gewalt
2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder
3. unter Ausnutzen einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,
nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder an sich vorzunehmen, (…)“

Doch was ist nun sexuelle Aggression, wie versteht sie jedermann? „Als sexuelle Aggression werden solche Handlungen bezeichnet, die mit dem Ziel ausgeführt werden, eine andere Person gegen ihren Willen zu sexuellen Kontakten zu bringen.“

Das ist wohl die populärste Definition. 

 
Forscher unterscheiden die Schwere bzw. Arten von sexueller Aggression, in dem sie auf die Art der Druckausübung und auf die Art der erfassten sexuellen Handlungen eingehen. Die Unfreiwilligkeit und die Täter- oder Opferrolle bestimmen und eine dieser Perspektiven wählen. Deshalb unterscheiden Forscher beispielsweise zwischen:

Art der Druckausübung Art des sexuellen Kontaktes Bekanntschaftsverhältnis

Einsatz bzw. Androhung
Von körperlicher
Gewalt

Ausnutzen der
Wehrlosigkeit

Verbaler Druck

Küssen, Petting
(sexuelle Berührungen)


Geschlechtsverkehr


Andere sexuelle
Handlungen
(oral, anal Verkehr)

(Ex- ) Freund/ Freundin



Freundin/ Freund, Bekannter

Unbekannte/ Unbekannter z.B.
Discobekanntschaft

Unter Ausnutzen der Wehrlosigkeit versteht man zum Beispiel das gezielte aussuchen von berauschten Opfern. Geht jemand beispielsweise in eine Diskothek und sucht sich ein „leichtes“, also zumeist betrunkenes Opfer, mit dem Ziel seinen sexual Trieb zu befriedigen ist dies eine Form der sexuellen Aggression. Verbalen Druck üben Menschen aus häufig in Beziehungen aus, wenn sie versuchen, ihren Partner mit Worten zu überreden. Beliebt sind hierbei Vergleiche mit anderen Paaren. Zum Beispiel berichtet man von Freunden, die viel öfter Geschlechtsverkehr ausüben oder über die Wichtigkeit von Sexualität und Befriedigung in einer Beziehung. So gelingt es vielen, dem Gegenüber ein schleches Gewissen zu machen und so doch noch zum Ziel zu gelangen. Diese Formen von Druckausübungen beziehen sich nicht nur auf die Absicht Geschlechtsverkehr zu haben, sondern auf jegliche Art der sexuellen Interaktion zwischen Menschen.
Nicht alle Fälle von sexueller Aggression werden zur Anzeige gebracht, deshalb ist es schwierig die wahren Prävalenzraten zu bestimmen. Das Hellfeld wird durch Kriminalstatistiken und den Anlauf bei Beratungsstellen oder eingegangen anrufen bei sogenannten Notfallrufnummern erfasst. Die Dunkelziffer versucht man durch repräsentative Opferbefragungen und anonyme Fragebögen zu bestimmen. Dazu dient meist der „Sexual Experiences Survey“ von Koss et al. (1987). Die folgende Tabelle zeigt den Verbreitungsgrad sexueller Opfererfahrungen und Täterhandlungen in Prozent im Jahr 1987 von Koss et al.
Schwere der Viktimisierung bzw. der Aggression Frauen (N= 3187) Männer (N= 2972)
____________________________________________________________________________
Keine sexuelle Viktimisierung/Aggression 46.3 74.8
sexuelle Nötigung* 11,4 10,2
Versuchte Vergewaltigung 12.1 3.3
Sexueller Zwang** 11.9 7.2
Vergewaltigung*** 15.4 4,4
_____________________________________________________________________________
* Unfreiwillige sexuelle Handlungen wie Küssen oder Petting bei verbaler Druckausübung,
Missbrauch von Autoritätsposition, Androhung oder Einsatz körperlicher Gewalt
** Geschlechtsverkehr nach verbaler Druckausübung oder Missbrauch von Autoritätsposition
*** Eindringen in den Körper nach Androhung oder Einsatz körperlicher Gewalt oder Ausnutzen
der Widerstandsunfähigkeit des Opfers

Eine Studie dazu machte die Universität Potsdam. Sie befragten 524 junge, männliche Erwachsene, ihr Durchschnittsalter belief sich auf 19 Jahre. Überwiegend hatten sie Abitur, Fachabitur oder Mittlere Reife bzw. strebten sie einen der vorangegangenen Schulabschlüsse an. Zum Großteil waren sie sexuell erfahren und waren beim ersten Geschlechtsverkehr 16 Jahre alt. Die Anzahl der Sexualpartnerinnen belief sich auf 5 bis 6. Die Befragungen liefen in Jugendclubs und -cafés, Jugendfreizeiteinrichtungen, Fußgängerzonen und Einkaufszentren in Berlin und Potsdam. Die folgende Tabelle zeigt einen Auszug aus ihrem Fragebogen, diesen muss man wohl kritisch betrachten.


Beziehung zum Opfer
SES Items (bejaht)
(Ex-) Partnerin
Freundin/ Kollegin
Neue Bekanntschaft
Unbekannte Frau
1. Geschlechtsverkehr, weil er Dinge sagte, die er nicht meinte
10,5
6,5
3,2
5,9
2. Geschlechtsverkehr durch verbalen Druck
5,7
1,3
1,7
0,6
3. Küssen, Petting durch verbalen Druck
7,6
1,9
1,9
1,5
4. Geschlechtsverkehr unter Alkohol/ Drogen
3,6
2,5
3,4
2,1
5. Versuchter Geschlechtsverkehr unter Alkohol/ Drogen
2,7
3,1
6,5
2,1
6. Versuchter Geschlechtsverkehr durch Gewalt/ Drohung
0,4
0,8
0,2
0,4
7. Geschlechtsverkehr durch Gewalt/ Drohung
0,2
0,2
0,6
0,2
8. Andere sexuelle Handlungen durch Gewalt/ Drohung
1,1
0,4
0,8
0,4
9.Versuchtes Petting durch Gewalt/ Drohung
0,4
1,0
0,8
0,2

Die Leiter dieser Studien haben drei verschiedene Kategorien gebildet, „keine Aggression“, „Mittelschwere Aggression“ und „ schwere Aggression“. Die jungen Männer, die kein einziges Item mit „ja“ beantwortet haben, wurden der ersten Kategorie zugeteilt, in dieser fanden sich 52,5% , sie gaben an nur freiwillige sexuelle Kontakte gehabt zu haben. Diejenigen, die der zweiten Kategorie zugeordnet waren, vollzogen unfreiwillige Kontakte durch verbale Druckausübung (sie bejahten die Items 1 bis 3) oder sie versuchen die Widerstandsunfähigkeit auszunutzen, das heißt ihr „Opfer“ war berauscht. (Bejahung des Items 5) Die Häufigkeit in dieser Kategorie belief sich auf 34,0%. Zu den „schwer sexuell Aggressiven“ zählten diejenigen, die ihrem Gegenüber Gewalt androhten und so vollzogene unfreiwillige sexuelle Kontakte durch Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit (Item 4) oder durch Androhung bzw. Einsatz körperlicher Gewalt (Items 7- 9). Die Prävalenzen und auch die Ergebnisse der Studie sind nicht zu unterschätzen, allerdings ist ein kritischer Blick auf derartige Prävalenzen von Nöten, da die Definition von sexueller Aggression sehr breit ist.
Warum werden Männer sexuell aggressiv?
Die Wissenschaft bietet uns zwei Erklärungsansätze an, zum einen die „Macro- level eplanations“ und zum anderen die „individual- level explanations“. Zu den „Macro- level explanations“ zählt der soziokulturelle Denkansatz. Dieser besagt, dass die Stellung der Frau in einer Gesellschaft ausschlaggebend ist, was man unter sexueller Aggression versteht, in Ländern in denen die Frau eine untergeordnete Rolle hat, kursieren oft sogenannten „Vergewaltigungsmythen“ , das heißt Mädchen, die sexuelle Aggression bis hin zur Vergewaltigung erfahren, wollen dies insgeheim so, würden sie es nicht wollen, wäre es ihnen nicht passiert. Dies ist sehr gefährlich, da die Zuteilung der Opfer- und Täterrolle so leicht aus dem Gleichgewicht gerät. Auch der soziobiologische Erklärungsansatz gehört zu den „Macro- level explanations“. Dieser besagt, dass sexuelle Aggression quasi ein Beiprodukt des Sexualtriebs des Mannes ist, ein Mann muss sich fortpflanzen und wenn er die Gelegenheit dazu nicht bekommt, muss er sich die Gelegenheiten eben selber schaffen und zwar ohne sie sich diese käuflich zu erwerben. Das arousal, kognitive Prozesse, Defizite in der Impulskontrolle, Charaktereigenschaften und Erfahrungen bei der Sozialisierung sind die Erklärungsansätze der „individual- level explanations“. Beide Denkansätze schließen sich nicht aus und können ergänzt viele Beweggründe von Tätern abdecken.
Wie provoziert man es, Opfer sexueller Aggression zu werden?
Damit ist nicht gemeint, dass ein Opfer selber schuld ist, wenn es sexuelle Aggression erfährt, vielmehr soll diese Analyse Gefahrenherde aufzeigen. Es gibt einen biographischen Gefahrenherd: Man fand heraus, dass sehr viele Opfer sexueller Aggression schon in ihrer Kindheit aversive Erfahrungen machten. Doch auch „provozierende“ Verhaltensweisen konnten ermittelt werden. Man fand heraus, dass sexuell sehr aktive Menschen häufiger Opfer von sexueller Aggression wurden. Auch der Konsum von Alkohol in Zusammenhang mit sexueller Aktivität stellte sich als gefährlich heraus, mit dem Konsum von Alkohol sinkt die Fähigkeit Situationen einschätzen zu können, man befindet sich dann viel schneller in Situationen, in die man irgendwie ohne es zu bemerken hineingerutscht war. Im nüchternen Zustand fällt es leichter Menschen und Situationen richtig einzuschätzen. Ein weiteres Problem stellt die Tatsache dar, dass viele Frauen, ungefähr zwei Drittel aller Frauen, oft „nein“ sagen, obwohl sie „ja“ meinen und umgekehrt. Männern fällt es dann sehr schwer die sexuellen Absichten eindeutig zu verstehen. Damit solche Missverständnisse nicht aufkommen, muss sich eine Frau wohl bewusst sein, wie intensiv sie flirtet und genau in diesen Situationen ist es äußerst wichtig bei klarem Verstand zu sein um nicht irgendwo hineinzugeraten.
Welche Folgen ergeben sich für Opfer sexueller Aggression?
Meist erkranken sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung, grob kann diese in drei Phasen eingeteilt werden. Die akute Phase, die Phase der oberflächlichen Wiederanpassung und die Phase der Neuanpassung. Die meisten Opfer versuchen anfangs zu verdrängen, schotten sich ab, gehen nicht mehr allein aus dem Haus, lassen Sicherheitsschlösser einbauen usw. es ist ein langer Weg bis die Folgen für die Opfer im Alltag nicht mehr zu spüren sind.
Gibt es auch sexuell aggressive Frauen?
Ja, auch wenn sich ihre Art der sexuellen Aggression meistens etwas von der ihrer männlichen Mitmenschen unterscheidet. Frauen üben überwiegend verbalen Druck aus, sie erzwingen sich nicht so häufig Geschlechtsverkehr, sondern eher sexuelle Berührungen und Küsse. Wenn Männer Opfer von sexueller Aggression werden, werden sie häufig ausgelacht oder geben es nicht zu. Die männlichen Opfer die Stellung beziehen, scheinen weniger zu leiden als Frauen, auch wenn ihnen das gleiche Schicksal zu Teil wurde. Abschließend empfehle ich noch ein Video, das Brutalitäten zeigt, die man nie mit einer Frau in Verbindung brächte.
http://www.youtube.com/watch?v=pgLxnlJB1Xw



Quellen:
Anderson, P.B: & Struckman- Johnson, C. (Eds.) (1998). Sexually aggressive women. New York: Guilford Press
Krahé, B., Schütze, S., Fritsche, I., & Waizenhöfer, E. (2ooo). The prevalence of sexual aggression and victimization among homosexual men. Journal of Sex Research, 37, 142-150
Malamuth, N.M. (1998). The confluence model as an organizing framework for research on sexual aggressive men: Risk moderators, imagined aggression, and pornography consumption. In R.G. Geen & E. Donnerstein (Eds.), Human aggression: Theories, research and implications for social policy (pp. 229- 245). San Diego, CA: Academic Press
White, J.W., & Kowalski, R.M. (1998). Male violence toward women: An integrated perspective. In R.G. Geen & E. Donnerstein (Eds.), Human aggression: Theories, research and implications for social policy (pp. 203- 228). San Diego, CA: Academic Press





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