Mittwoch, 2. März 2011

Verhindern und Kontrollieren aggressiven Verhaltens

Autor: Juliane

Wie wir feststellen müssen, betrifft das Thema Aggression in unserer Gesellschaft viele Bereiche des täglichen Lebens und zieht großes Leid für Betroffene und Opfer nach sich. In diesem Sinne ist es eine extrem wichtige Aufgabe der psychologischen Forschung, geeignete Maßnahmen zur Aggressionsprävention und Reduzierung zu finden. Dies gestaltet sich als ausgesprochen schwierig, da Verhaltensvariablen, welche zum tatsächlichen Ausbruch von Aggressionen führen, noch immer nicht vollkommen verstanden werden konnten. Dementsprechend ist es oft nicht möglich, die Aggression wirklich „bei der Wurzel zu packen“, das heißt, dass häufig lediglich ihre Symptome, nicht aber die wirklichen Ursachen bekämpft werden. Des Weiteren wird in unserer Gesellschaft Aggression oft noch immer als natürliche, in der menschlichen Natur liegende Verhaltensweise angesehen- hierzu passt, dass vielfach auch eine eine gewisse Akzeptanz für bestimmte Arten von Gewalt, wie beispielsweise das Schlagen der eigenen Kinder o.ä. vorherrscht.

Aus dieser dringlichen Situation heraus haben sich verschiedenartige Konzepte zur Vermeidung und Kontrolle von aggressivem Verhalten entwickelt, welche sich zunächst in allgemeine (“universal“), alle Arten von Aggression betreffende und spezialisierte(“targeted“), eigens für bestimmte Bereiche, wie z.B. Mobbing an Schulen entwickelte, Maßnahmen und Programme unterteilen lassen.
Unter den allgemeinen Maßnahmen zur Aggressionskontrolle und -prävention gibt es sowohl solche die auf das Individuum abzielen als auch an die ganze Gesellschaft und das Zusammenleben gerichtete Entwürfe. Hierbei ist es jedoch wieder von Bedeutung, was als Ursache der Aggression angesehen wird: Sind es zum Beispiel bestimmte, situationsgebundene Hinweise, “cues“ wie präsente Waffen, die aggressives Verhalten auslösen? Und überhaupt: Wie kann man Menschen beibringen, ihren Ärger zu kontrollieren? 

Jene Konzepte zur Aggressionsvermeidung, welche auf das Individuum gerichtet sind, sind von großer Bedeutung, da Aggression, auch wenn sie häufig von bestimmten Gruppen auszugehen scheint, schlussendlich fast immer an Einzelnen Individuen ausbricht bzw. von ihnen aggressive Tätigkeiten ausgehen. Unterschiedliche Konzepte sind hierbei unterteilbar in Katharsis, Bestrafung und Wutkontrolle. Die Katharsis geht von der Hypothese aus, dass man der in einer Person „angestauten“ Aggression lediglich ein Ventil zur Verfügung stellen müsse. In diesem Sinne können feindselige Gefühle entweichen und damit die Wahrscheinlichkeit eines unkontrollierten Ausbruchs der Aggression herabgesetzt werden, indem potentielle Aggressoren wiederholt Stimuli ausgesetzt werden, die ihre Aggression eigentlich auslösen würden. Diese Methode hat sich allerdings oft als nutzlos, wenn nicht sogar kontraproduktiv erwiesen: So zeigen die Ergebnisse verschiedenster Studien, dass das Vorstellen von aggressivem Verhalten die tatsächliche Aggressionsrate eher steigert als reduziert. Gleiches gilt für Spiele, in denen Aggressionen lediglich simuliert werden. Auch gewalttätige Medien, Fernsehsendungen etc. erhöhen das Risiko für Aggressionsbereitschaft nachgewiesenermaßen, statt der Katharsishypothese folgend „reinigende“ Wirkungen zu haben.
Eine Studie von Bushman, Baumeister und Stack aus dem Jahre 1999 konnte dies eindrucksvoll zeigen: Setzte man eine Gruppe Versuchspersonen einer die Katharsis befürwortenden Meinung (hier: Angreifen eines leblosen Gegenstandes um aggressive Spannungen freizusetzen) und eine weitere Gruppe einer gegenteiligen Maßnahme aus (hier: Argumente gegen die Effektivität von Aggressionen sammeln sowie Entspannungstechniken) so zeigte sich in einer späteren Testsituation, dass jene Probanden die die Katharsis durchgeführt hatten deutlich öfter in einem Fragebogen eine gewalttätige Verhaltensaktivität (hier: schlagen eines Boxsackes) wählten, wenn sie zuvor verärgert wurden als die Probanden in der Anti-Katharsis- Gruppe. Die Verärgerung erfolgte in diesem Fall durch eine negative Bewertung eines von ihnen verfassten Aufsatzes, die die Teilnehmer vor Ausfüllen des Fragebogens bekamen. Eine Folgestudie zeigte ebenfalls, dass nach der Verärgerung durch das negative Feedback den Aufsatz betreffend und trotz anschließendem mind. 2minütigen Boxen des Boxsackes die Bereitschaft der Probanden, dem Bewertenden ihres Aufsatzes Elektroschocks zu versetzen, deutlich angestiegen war. Auch hier zeigte die Anti-Katharsis-Gruppe eindeutig geringere Tendenzen hin zu aggressivem Verhalten. Fakt ist: Sogar wenn die Teilnehmer selbst an die Wirkung der Katharsis glaubten, waren sie nicht in der Lage dies in die Tat umzusetzen. All dies spricht dafür, dass es keineswegs beruhigende, Aggressionsbereitschaft senkende Effekte hat, wenn man Menschen präventiv aggressiven Stimuli aussetzt. Auch im Zusammenhang mit den bereits kennengelernten Erfahrungen die man mit dem Primen von aggressiven Gegenständen gemacht hat, sprechen alle Zeichen dafür, dass es aggressiv macht, aggressive Akte auch nur zu durchdenken, sie gezeigt zu bekommen oder sich vorzustellen. 

Trotzdem darf an dieser Stelle nicht völlig vergessen werden: Offen ausgedrückte Aggressionen, sei es in verbaler oder physischer Form, können trotzdem eine Reduzierung der negativen psychischen Aufbringung für das Individuum bewirken- zumindest kurzfristig.

Ein zweiter Ansatz um die Gewaltbereitschaft von Individuen zu senken ist die Bestrafung. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass die Aussicht bestraft zu werden daran hindert aggressives Verhalten an den Tag zu legen. Der Aggressor führt hiernach seine aggressive Verhaltensweise nur deswegen aus, weil er sie mit für ihn positiven Konsequenzen verbindet. Strafe als negative Konsequenz sollte also aggressives Verhalten seltener machen. Allerdings gibt es einige Bedingungen dafür, dass Bestrafung tatsächlich die gewünschte Wirksamkeit hat. Zum einen muss die Strafe ausreichend abschreckend sein und mit einer großen Wahrscheinlichkeit (Kontingenz!) Es müssen attraktive Verhaltensalternativen gegenüber der Aggression vorhanden sein, gepaart mit einer nicht zu großen Aufregung, die verhindern würde, dass das potentiell aggressive Individuum in der Lage ist, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung überhaupt zu antizipieren. Auch Kontingenz spielt eine wichtige Rolle bei der Wirksamkeit von Bestrafung: Die Strafe muss (ähnlich wie auch eine Belohnung!) sofort folgen, d.h. kontingent mit der aggressiven Tat sein. Da diese Faktoren aber nur relativ selten vollständig gegeben sind steht auch die Wirksamkeit von Bestrafung als Abschreckung vor aggressiven Handlungen in Frage. Kontrovers diskutiert wird zudem, ob das Bestrafen selbst als eine Form der Aggression zu betrachten ist, denn dies würde bedeuten, dass die Botschaft hinter einer Bestrafung suggeriert, Aggression sei sehr wohl eine legale und akzeptierte Konfliktlösemöglichkeit. Möchte man also längerfristige Erfolge in der Aggressionsvermeidung erzielen ist es essentiell, positives Verhalten zu belohnen, statt negatives zu bestrafen. Wichtig ist dies vor Allem in gewaltfreien Erziehungsmethoden: z.B. Das „Parent Management Training“ vermittelt gewaltfreie Strategien der Disziplinierung, übt mit Eltern gemeinsame Interaktion mit die ihren Kindern und betont die Bekräftigung von prosozialem Verhalten. Eltern sollen hier dazu befähigt werden, ein neues Vorbildverhalten an den Tag zu legen, milde Strafen konsequent und ruhig anzuwenden und vor Allem Bereitschaft zu zeigen, Kompromisse mit ihren Kindern auszuhandeln. Dieses Modell erwies sich in den Familien im Gegensatz zu Bestrafungsstrategien als sehr stabil auch nach Beendigung des Programmes. 

Die dritte und erfolgreichste Strategie der Aggressionsvermeidung am Individuum besteht aus Interventionen die das Erlernen von Wutkontrolle beinhalten. Hierbei werden Ärger und negative Aufregung also Schlüsselfaktoren betrachten, die es aktiv zu kontrollieren gilt. Ziel ist hierbei die Aneignung neuer Fertigkeiten und Verhaltensalternativen. Als Paradebeispiel für Wutkontrolle soll an dieser Stelle das „stress inoculation training“, kurz SIT, dienen. Es beinhaltet drei Phasen. In der ersten Phase lernen die Klienten, die Auslöser ihrer Aggressionen zu identifizieren und eignen sich die Selbstüberzeugung an, diesen Widerstehen zu können. Des Weiteren werden in der zweiten Phase Entspannungstechniken eingeübt, welche mit der erlernten Selbstüberzeugung gekoppelt werden, nachdem die Patienten tatsächlich Ärger bereitenden Stimuli ausgesetzt wurden. Im dritten Schritt haben sie die bis dato Aggressionen auslösenden Faktoren vorzustellen oder nehmen an Rollenspielen teil, die die kritische Situation darstellen. Dies wird solange eingeübt bis auf einen Hinweisreiz hin oder sogar automatisch die erlernten Entspannungstechniken aktiviert werden und das Auftreten von aggressivem Verhalten verhindern. In einer Anwendung dieses Verfahrens in einer amerikanischen Schule von Brownell, 1999, zeigte sich eine Effektgröße von d=0.64 , was als beachtlicher Effekt einzustufen ist. Leider stößt die Methode der Wutkontrolle oft an ihre Grenzen, da ein großes Maß an Kooperation und Motivation seitens der Teilnehmer der Programme von Nöten ist. Z.B. das SIT erwies sich dementsprechend als viel weniger erfolgreich, wenn die teilnehmenden Personen bereits eine kriminelle Vergangenheit besaßen. Hier fehlt häufig das entscheidende Bewusstsein, dass man selbst einen Mangel an Kontrolle über die eigenen Gefühle und Handlungen hat. Erwähnenswert ist zudem, dass Wutkontrolle außerordentlich gut durch das beobachten anderer Personen erlernt werden kann. Gewaltfreie Vorbilder vermitteln hiermit gewaltfreie Verhaltensmuster, sei es in den Medien oder und vor Allem in der eigenen Familie. Besonders erfolgreich ist dieses Lernen durch Vorbilder dann, wenn es mit aktiver Anwendung in Form von Rollenspielen, Verhaltensfeedback etc. gepaart wird. Auf diese Weise können Verhaltensmuster längerfristig erfolgreich ersetzt werden.
Neben den hier vorgestellten auf das Individuum bezogenen Maßnahmen ist es natürlich ebenfalls von Bedeutung, gesellschaftsbezogene Herangehensweisen zu betrachten. Hierbei wird nun davon ausgegangen, dass Gewaltaussetzung Gewaltanwendung zur Folge hat. Dies wird zum Beispiel dadurch gezeigt, dass das Vorhandensein von aggressiven pornographischen Materialien in einer Gesellschaft eindeutig mit ihrer Rate an sexueller Gewalt korreliert. Leider lässt sich sagen, dass Initiativen zur Gewaltprävention der Medien in dieser Hinsicht nie weit genug gehen, da gewalttätige Inhalte Menschen anziehen und es somit große Nachfrage nach solchem Material gibt, die wiederum ein ökonomisches Interesse an dessen Produktion und Vertrieb nach sich zieht. Aufgabe des Staates ist es in diesem Sinne also durch physische und soziale Umweltgestaltung die kriminellen Möglichkeiten zumindest in der Öffentlichkeit zu minimieren. Dies kann zum Beispiel durch das Schaffen physischer Barrieren erfolgen, sodass der Aggressor sein Ziel schlichtweg schwerer erreichen kann, durch Kontrollen (z.B. Ausweiskontrollen, Alkoholverbote in Stadien o.Ä.) und der Installation von Beobachtungssystemen erfolgen. Eine schwierige Frage ist allerdings hierbei, ob diese Maßnahmen Gewalt tatsächlich verhindern oder ob sie lediglich eine Verschiebung in schlechter geschützte Bereiche (wie z.B. das Zuhause) bewirken. Weitere Faktoren um das Stresslevel in einer Gesellschaft allgemein zu verhindern sind z.B. die Vermeidung hoher Temperaturen und extremer Lautstärken an öffentlichen Orten wie Schulen und die Vermeidung von überbevölkerten Lebensbedingungen z.B. in Gefängnissen.

Rahmenbedingungen werden in einer Gesellschaft zudem durch das Festlegen von „bestrafungswürdigem“ Verhalten durch Gesetze geschaffen. Das Hauptargument hierfür lautet Abschreckung, das heißt, es soll ein Bewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werden, dass sich kriminelles Verhalten nicht lohnt. “Crime does not pay“ lautet hier die Devise, welche in der Realität allerdings recht wenig Evidenz besitzt, denn es setzt voraus, dass Aggression und Kriminalität auf einem rationalen Entscheidungsprozess beruhen, das heißt, dass vor der Tat quasi Kosten und Nutzen derselben ab gewägt werden. Das beste Beispiel gegen diese Hypothese die Faktenlage um die vieldiskutierte Debatte der Todesstrafe herum. Es zeigt sich nämlich, dass es in Staaten der USA mit Todesstrafe keineswegs weniger schwere Kriminalität (Morde etc.) gibt als in Staaten ohne Todesstrafe. Sogar wenn die Todesstrafe schnell und mit großer Wahrscheinlichkeit angewendet wurde ergab sich kein Rückgang der Kriminalität. Trotzdem gibt es in vielen Nationen gerade nach spektakulären, besonders bewegenden Mordfällen vielfache Rufe nach Einführung der Todesstrafe. Auf den ersten Blick ähnlich verhält es sich mit der Etablierung strengerer Waffengesetze: Der Staat besitzt hier vielfältige Möglichkeiten der Intervention: Sowohl die Senkung des Angebotes, die Erhöhung von Steuern und Preisen der Waffen, den Ausschluss bestimmter Gruppen vom Kauf (Kinder, Kriminelle etc.), Mitführverbote an bestimmten Orte, als auch die Schaffung härterer Klauseln in den Gesetzen bei Verbrechen mit Waffe. Auch diese Maßnahmen haben empirisch betrachtet keinen offensichtlichen Effekt auf die Gewaltrate in der amerikanischen Gesellschaft, sehr wohl aber auf die Fatalität der Angriffe! Das heißt, dass tödliche Konsequenzen von Angriffen unwahrscheinlicher werden. Z.B. in Raubüberfällen herrscht eine 10mal höhere Wahrscheinlichkeit für einen Tod oder eine schwere Verletzung wenn eine Waffe involviert ist. Auch die Waffenbesitzrate und die Anzahl der mit Waffen ausgeführten Morde Korrelieren mit r= 0.72. Langzeiteffekte von Maßnahmen der Waffenrestriktion sind allerdings gesellschaftsabhängig, da die allgemeine Einstellung gegenüber dem Waffenbesitz verändert werden muss. Essentiell ist hierbei vor Allem die Schaffung eines Gefühls der Sicherheit in der Bevölkerung, denn wer sich sicher fühlt wird keine Notwendigkeit sehen, sich eine Waffe anzuschaffen geschweige denn zu benutzen.
Insgesamt wird deutlich, dass all die vorgestellten Maßnahmen nur begrenzte Erfolge vorweisen können, weshalb es sich als Notwendig erweist, genauer auf die speziellen Ausprägungen von Gewalt einzugehen und spezielle auf bestimmte Bereiche abzielende Maßnahmen zu entwickeln.
Als Beispiel soll uns an dieser Stelle die gezielte Intervention in Mobbing-Verhalten und Gangbildung besonders bei Jugendlichen und Kindern dienen. Diese jungen Menschen nehmen eine besonders wichtige Rolle in der Gewaltprävention ein, denn je früher sie lernen, mit aggressiven Impulsen umzugehen desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Konsolidierung von Aggression und damit potentielle kriminelle „Karriere“ verhindert werden kann. Hinzu kommt, dass Mobbing auf den Schulhöfen etc. eine sehr hohe Prävalenz innehat und es somit eine sehr große Opferzahl gibt, deren Leiden leider oft nicht ausreichend ernstgenommen wird. Zweifelsfrei der wesentliche Teil des sozialen Lebens von Kindern und Jugendlichen spielt sich in der Schule ab, was einerseits Verantwortung nach sich zieht, andererseits aber auch Möglichkeiten für Veränderungen schafft. Ein großes Problem ist es hierbei, dass die sozialen Strukturen der meisten Gangs antisoziales Verhalten bekräftigen und sogar belohnen. Anti- Bully- Programme wirken dem auf verschiedenen Interventionsebenen wie Elterngespräche, Aufstellen von Klassenregeln, Übereinkünfte etc. entgegen. Um in die Gang-Bildung an Schulen einzugreifen ist es von Nöten, spezielle Trainings für Lehrer anzubieten, welche diesen helfen psychologische Faktoren, Signale, Aktivitäten, Strukturen und andere Charakteristiken der bestehenden Gangs zu erkennen und zu verstehen. Außerdem wurden zahlreiche Erziehungsprogramme wie das “Gang Resistance Education and Training“, kurz GREAT, und das “Gang Intervention Pilot Programm“, GRIPP, entwickelt. Diese Programme werden oft simultan gegen Drogenmissbrauch angewendet und fokussieren sich hauptsächlich auf die Stärkung des Widerstandes gegen die Versuchung, Mitglied einer Gang zu werden und versuchen die kriminelle Aktivität der bereits bestehenden Gangs zu schwächen. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist hierbei allerdings auch die Vermittlung, da offene Gespräche oft die teilweise Akzeptanz des Bestehens der Gang an sich voraussetzen. Ein weiterer Gesichtspunkt um Aggressionen an Schulen zu vermindern ist das Einführen von Verhaltens- und Kleidungsvorschriften. Diese Maßnahmen machen die Kommunikation anhand von Symbolen innerhalb der Gangs schwieriger. Letztlich sind häufig auch Sicherheitsmaßnahmen, wie die Überwachung durch Kameras, Sicherheitspersonal etc. nützlich um die größtmögliche Sicherheit für Schüler und auch Lehrer, vor Allem an Brennpunkten wie Bushaltestellen, zu gewährleisten. Hinzu kommt die abschreckende Wirkung dieser Maßnahmen, welche sicherlich so manchen Aggressor zurückschrecken lässt. 

Eine Langzeitstudie zur Gewaltprävention an Grundschulen aber Klickpera und Klein 2002 in Österreich initiiert. Ihr Programm, getauft das „Friedensstiftertraining“, setzt als Ziel für die Kinder den Erwerb von Handlungsstrategien, das Erlernen des konstruktiven Umgangs mit eigenen Emotionen und somit ein neues Verständnis für zwischenmenschliche Interaktion. Hierfür wurden an einer österreichischen und später an einer Münchener Grundschule auf Schul- oder Klassenebene 13 Unterrichtseinheiten im Zuge des Programmes gegeben. Dieses Programm besteht aus vier Teilen: Im ersten werden die Konflikte an sich thematisiert, es wird diskutiert, was Streit eigentlich ist, Konflikte werden differenziert und das eigene Verhalten in Konfliktsituationen soll kennengelernt und durch alternative Verhaltensmöglichkeiten ersetzt werden. In zweiten Schritt wird die Verhandlung geübt: Beziehungs- und Sachebene müssen getrennt werden, eine Zielanalyse der beiden Streitparteien durchgeführt werden um letztlich eine für beide akzeptable Lösung zu finden. In der dritten Phase wird der richtige Umgang mit negativen Gefühlen geschult: Dem bisherigen Umgang mit Ärger werden Alternativen entgegengesetzt. Im vierten und wahrscheinlich wichtigsten Part liegt der Schwerpunkt auf Mediation: Die Kinder lernen die Rolle und Aufgabe eines Mediators kennen, also das Lösen von Konflikten mittels einem neutralen Außenstehenden. Letztlich werden sie motiviert, die Rolle des „Friedensstifters“ in Konfliktsituationen in ihrer Umwelt auch selbst aktiv anzunehmen. Eine Evaluation nach Langzeitdurchführung dieses Programmes auf Basis von Befragungen von Schülern, Lehrern und Eltern ergab, dass das Ausmaß von Aggression stark zurückging, die soziale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler deutlich gesteigert wurde und dass die Anzahl der zurückgezogenen Kinder im Vergleich mit einer Kontrollschule, an der das Programm nicht durchgeführt worden war, drastisch abnahm. Es gab also weniger „Opfer“ von Mobbing und auch die allgemeine Courage und das sozialpositive Verhalten unter den Kindern wurde gesteigert. Allerdings ist es um derartige Ergebnisse zu erreichen essentiell, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierfür ist es wichtig, dass sowohl der Klassenlehrer als auch das gesamte Curriculum sich das Programm zum Anliegen machen und das Programm aktiv in den Schulalltag integrieren, statt es separat von diesem „laufen zu lassen“. 

Die Schule als öffentlicher Ort bietet dementsprechend zahlreiche Möglichkeiten, Gewalt zu bekämpfen- aber wie schaut es im privaten Sektor aus? Was kann gegen häusliche Gewalt getan werden? Die beiden Hauptziele der Prävention von häuslicher Gewalt sind natürlich das Verhindern des Auftretens von Missbrauch aber auch die Minimierung des verheerenden psychologischen und physischen Effekts auf die die Opfer. Auf Gesellschaftsebene lässt sich hierzu sagen, dass die öffentliche Meinung keinerlei Gewalttoleranz beinhalten darf, weder in der Kindererziehung noch in anderen Sektoren. Es ist hierbei zudem wichtig patriarchalische Strukturen und die sogenannte „Gender- Gap“ zu überwinden, denn eine egalitäre Gesellschaft mit erfolgreichen Frauen wird eine deutlich niedrigere Gewaltrate seitens des Mannes zulassen können. In diesem Sinne darf Gewalt auch in den Medien weder als männlich noch als unterhaltend o.ä. präsentiert werden. Des Weiteren müssen die Rahmenbedingungen in einem Staat es erlauben, Missbrauch aufzudecken und zu bestrafen. Hierzu trägt z.B. eine Berichtspflicht für Sozialarbeiter bei Missbrauchsverdacht bei. Es ist wichtig, Gesetze zu schaffen, welche eine Intervention auch in die familiäre Ebene erlauben und sogar zwingend machen, um die Aufdeckungsrate häuslicher Gewalt zu steigern. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Kompetenz der Sozialarbeiter- sie müssen dazu befähigt werden, auch indirekte Warnsignale für Missbrauch in einer Familie zu erkennen. Ein weiterer Aspekt um die Schäden häuslicher Gewalt in einer Gesellschaft zu minimieren ist das Schaffen von Fluchtmöglichkeiten: Eigenes hierfür geschaffene Frauenhäuser bieten Sicherheit und auch regelmäßige Checks gefährdeter Familien durch das Sozialamt können hierbei behilflich sein. 

Schockierend ist, dass nur 28,8% aller Fälle bei Anklage wegen häuslicher Gewalt auch tatsächlich zur Festnahme führen und auch nur 37,4% der Fälle in denen es zu schwerer Körperverletzung gekommen ist (Bourg and Stock, 1994). Der Grund hierfür könnte sein, dass Polizisten häusliche Gewalt häufig trivialisieren und als Privatsache abtun, sodass viele der Täter nie für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden. 

Bezogen auf die Familie müssen zunächst mit häuslicher Gewalt korrelierende Faktoren wie soziale und finanzielle Benachteiligung o.Ä. identifiziert werden. Des Weiteren ist es nötig, die Interaktionsmuster einer Familie aufzudecken- hierfür gibt es den CAPI ( “Child Abuse Potential Inventory“) welcher quasi den Grad des Unglücklich seins und der Unzufriedenheit, der Probleme mit dem Kind und mit dem Selbst sowie die Strenge der erziehenden misst und hierdurch das Risiko für einen Missbrauch einschätzt. Nach der Feststellung des Risikos gilt es adäquates Verhalten zu trainieren: Vorbilder hierfür werden in Planspielen und Modellsituationen vorgestellt. Ziel ist es allerdings immer, den Verbleib der Kinder in ihrer Familie zu ermöglichen, sofern dies vertretbar ist. Denn: „Manche Familien können nicht zusammengehalten werden- manche sollten es nicht“ – die Entscheidung ob ein Kind in einem Haushalt belassen wird ist oft eine sehr schwere und erfordert ein gründlich abgewogenes Urteil, denn es darf praktisch kein Risiko der weiteren Gewaltaussetzung für das Kind bestehen.

Letztendlich gilt die Aufmerksamkeit der intervenierenden Psychologen etc. aber doch maßgeblich dem Individuum. Bei der psychischen Behandlung von Tätern, welche sexuelle oder häusliche Gewaltakte ausgeführt haben ist es wesentlich, deren kognitive Prädisposition zu verändern. Dies bedeutet die Durchbrechung von Gewohnheitsmustern, das Einüben von Wut-und Affektkontrolle , Selbsthemmung und auch die Aktivierung von Mitleid und Normen. Der Faktor Information spielt hierbei eine wichtige Rolle, da Männer die z.B. über posttraumatische Symptome einer Vergewaltigung Bescheid wissen signifikant seltener sexuell aggressiv werden als schlecht informierte Personen. Problematisch erweist sich hierbei die hohe Abbruchrate bei Therapien nach derartigem Muster, da sie einen enormen Selbstwillen des Täters abverlangen. Besonders wenn die Therapie gerichtlich verordnet und nicht aus freien Stücken begonnen wird, ist es relativ wahrscheinlich, dass sie nicht zu Ende gebracht wird. Darüber hinaus ist es ebenfalls von Bedeutung, potentielle Opfer, vor Allem Kinder, zur Risikoeinschätzung zu befähigen, ihnen beizubringen einem offensichtlich falschen Verhalten eines Erwachsenen zu kontern- denn oft schützt man sich schon durch konsequente Zurückweisung, das Bestehen auf Privatsphäre und das offene Hilfesuchen bei anderen Erwachsenen vor Missbrauch. Kritisch betrachten muss man hierbei allerdings die Frage, ob derartige quasi „präventive“ Interventionen an potentiellen Opfern vor Allem Kinder nicht zu sehr aufregen, verwirren und überfordern. 

Auch gegen sexuelle Gewalt werden Maßnahmen welche das potentielle Opfer schulen durchgeführt. So sollen beispielsweise Frauen auf potentiell für sie gefährliche Situationen und Risiken aufmerksam gemacht werden. Hierzu zählen Faktoren wie zum Beispiel eine offensichtliche hohe sexuelle Aktivität, Alkohol, zweideutiges Verhalten usw. Es wird zudem darauf abgezielt, Selbstverteidigung und Selbstbewusstsein der Frauen zu steigern. Zudem wird es als wichtig betrachtet, dass Selbstschutz und eine angemessene Reaktion im Falle des Falles vor dem tatsächlichen Eintreten der gefährlichen Situation reflektiert werden, um Hilflosigkeit oder Affekthandlungen auszuschließen. Erfolge derartige Programme haben sich allerdings nur bei bisher nicht Opfer gewesenen Frauen als erfolgreich erwiesen, nicht aber bei solchen, die schon einmal sexuelle Gewalt erfahren haben. Zudem hängt der Erfolg stark von der jeweiligen Einstellung zum Thema ab, da in den Köpfen vieler Frauen lediglich das “stranger-rape-scenario“ vorherrscht, wohingegen Täter in der Tat extrem häufig Verwandte oder Bekannte sind. Viele Frauen fokussieren ihre Sorgen außerdem hauptsächlich auf die Minimierung des für sie negativen Effektes, nicht aber auf die Vermeidung des eigentlichen Angriffs. In diesem Zuge fragt sich, ob Widerstand bei sexuellen Angriffen Verletzungen etc. eher schlimmer macht oder tatsächlich hilft. Statistisch gesehen ist das „Kämpfen“ gegen einen Angreifer viel erfolgversprechender als Passivität: In 54% aller Fällen konnte eine Vergewaltigung durch physischen Widerstand tatsächlich verhindert werden, während es ohne diesen Widerstand in nur ca. 6,5% der Fälle nicht zu einer Vergewaltigung kam. Deswegen kann man Selbstverteidigung als dringend ratsam bezeichnen, wobei dies stark situationsabhängig ist und z.B. bei extremer körperlicher Überlegenheit des Angreifers, Abgelegenheit des Ortes oder der Präsenz einer Waffe nicht gilt. 

Damit eine Gesellschaft aber erst gar keine, oder zumindest nur eine minimale Anzahl, sexuell aggressiver Menschen hervorbringt scheint es von Nutzen zu sein, beeinflussende Medien wie z.B. gewalttätige Pornographie schwieriger oder gar nicht erreichbar zu machen. Besonders Kinder und Jugendliche müssen auf diese Weise geschützt werden um eine Konsolidierung der Gewalt in ihren mentalen Repräsentationen zu vermeiden. Infokampagnen können dabei helfen, die Gewaltdarstellung in den Medien mit der Realität gegenüberzustellen und Unterschiede in ihren Auswirkungen hervorzuheben- denn leider haben in den Medien Opfer z.B. letztlich Spaß an Gewaltsex, was eine völlig verzerrte Darstellung der Realität ist.“Peer Educators“ können hierbei als quasi „Gleichgesinnte“ Botschaften gegen Gewalt mit dem größten Einfluss überbringen und als Vorbilder dienen. Generell gilt dass eine größere Aufmerksamkeit auf das Thema sexuelle und häusliche Gewalt im Endeffekt eine höhere Berichtsrate dieser Verbrechen nach sich zieht und damit auch die Zuversicht der Opfer, bei Anzeige wirklich adäquate Hilfe zu bekommen und die eigene Situation nicht noch kritischer zu machen, vergrößert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bis heute ein großes Problem darstellt, es hier mit häufig unterberichteten und in ihren Ausmaßen trivialisierten Thematiken zutun zu haben. Aus diesem Grunde sind die wahren Raten dieser Formen von Gewalt in der Bevölkerung nur sehr schwer einschätzbar, weshalb auch der tatsächliche Erfolg der beschriebenen Maßnahmen und Interventionen unklar ist. Um Ursachen und Ausprägungen von Aggressionen beim Menschen völlig zu klären ist es nötig, diese Thematik multidisziplinär zu betrachten und alle Prozesse und Faktoren die in aggressives Verhalten mit hineinspielen zu verstehen. Allerdings muss hierbei betont werden, dass weder der sozialpsychologische noch der psychologische Ansatz insgesamt alleine ausreichen um die vielen und verwobenen Wurzeln der Aggression zu erforschen, da Aggressionen auch zum Teil geschichtliche, kulturelle und biologische Ursachen besitzen. Schlussendlich sind aber das vollständige Verstehen der für Aggressionen verantwortlichen Prozesse maßgebliche Voraussetzung für eine erfolgreiche und integrere Prävention und Vermeidung von aggressivem Verhalten und für die Schaffung von verbesserten bzw. gar perfekten Interventionsprogrammen.

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